Ich seh nichts und ich sag nichts zu

Alle Welt spricht von Amerika, das muss genügen. Ich bin entsetzt, nein eigentlich nur überrascht, kann es nicht ändern und hänge genauso wie Fräulein Ich in der Starre einer akuten Itis mit dem garstigen Namen:

Wartenauf

Ich sitze hier und warte. Auf einen Anruf. Schaue auf das Telefon, es ist angeschaltet. Starre es an, ja, es funktioniert. Funktioniert es wirklich? Es könnte ja sein, dass gerade eben, als ich gezwinkert habe, der Strom ausfiel, der unsichtbare Motor aller Dinge und nun ist mein Telefon jenseits der Erreichbarkeit und genau jetzt kommt der Anruf. Nein, kein Stromausfall, ein Freizeichen. Vielleicht ist die Leitung defektiert worden? Ich rufe mich selbst an. Besetzt, ich bin da, wie schön. Nein, ist es nicht. Warten ist wie eine Fußfessel. Kabellos. Mobil. Bewegliche Eisenkugel, nichts geht mehr, alles steht und dreht sich um diese eine Sache, diesen eine Anruf.

„Ich ruf dich morgen an.“ Morgen war gestern ist heute vorbei. Nachsicht. Immer übe ich sie und habe das Nachsehen. Sehe nach, ob das Telefon noch funktioniert. Es funktioniert. Grinst mich dämlich an, das blöde Ding. Sagt gemeine Sachen. Dass ich ihn sowieso nicht haben werde. Weil ich nämlich nicht gut genug bin. Und außerdem nicht auf der Liste ganz oben stehe. Ich packe die vorlaute Technik und werfe sie auf den Boden. Sie klingelt beleidigt. Ich hebe ab. Nein verdammt, ich will an keiner Umfrage teilnehmen und die bekackte Zeitung auch nicht, jetzt hauen Sie ab und machen die Leitung frei! Das Telefon schüttelt sich. Hat sich wohl an der eigenen Häme verschluckt. Wir starren uns eine Weile stumm an, wer zuerst wegschaut, muss gehen.

„Ich ruf dich morgen an.“ Verdammt, wie oft bin ich in meinem Leben schon an diesem Satz hängen geblieben? Früher war das ein Synonym für „Wir können ja Freunde bleiben.“ und ich dummes Huhn habe an jedes einzelne Wort geglaubt. Gehofft. Geträumt, ach wie gut, hätte, könnte, täte. Früher. Jedes Mal dachte ich, diesmal aber sicher und bezog meinen Posten am Telefon. Jetzt frage ich mich ernsthaft, ob es Dinge im Leben gibt, die sich einfach nicht ändern wollen.

Es klingelt! Ja ha ha ha, sagt das Telefon und wiehert wie ein verschnupftes Pferd aus der Muschel an meinem Ohr. Das Morgen ist fast vorbei. Und wenn es doch übermorgen heißen sollte? Oder morgen also heute einfach nur so viel los war, dass überhaupt keine Zeit blieb, um anzurufen? Put put put ihr Hühnerchen, singt das Telefon und hüpft aus meiner Hand. Tanzt um mich herum, wie ein Maulwurf auf Speed. Springt mir gegen das rechte Schienbein, steigt mit aller Kraft auf meinen linken Fuß, fällt mir von hinten in den Rücken. Und setzt immer wieder zum Klingeln an. Jedes Mal, wenn ich es fast erwischt habe.

Verdammt, jetzt habe ich aber genug! Ich bin zu alt für solche Spiele! Soll mich doch gestern, heute oder morgen anrufen, wer will und ich möchte auch keine Beziehung eingehen, bei der ich bereits vorab den Korb kassiert habe. Ich möchte lediglich wissen, ob ich ihn nun haben kann oder nicht, den kleinen Garten. Ist das zuviel verlangt? Wer von Ihnen also einen direkteren Draht zum Gartenvorstandsoberminister hat, gebe ihm doch bitte Bescheid, dass ich ihn beim Wort genommen habe! Besten Dank und

Mit herzlichen Grüßen
Ihre Frau Körb

6 Kommentare zu “Ich seh nichts und ich sag nichts zu

  1. Jetzt ist mein gesamtes Weltbild über die Liebe reichlich erschüttert worden. Am Ende ging es um einen Garten. Aber vielleicht arbeitet in diesem wundervollen Garten ein wunderschöner Gärtner, der Sie ganz bestimmt anrufen wird. Ganz bestimmt.

    Weil so ein Garten braucht auch seine Pflege.

    In diesem Sinne. Hochachtungsvoll ihre Prinzessin!

    • Ach *den rechten Handrücken an die Stirn drapiert gefühlvoll seufzend* die Liebe…
      WENN IN MEINEM GARTEN EIN ANDERER GRÄBT AUßER MIR, so sei die Schlacht eröffnet! Goldkettchen tragende Lederhäute oder ahnungslose Landschaftsgartenbearbeitungsumschüler, die eigentlich aus der Versicherungsbranche kommen, gehören nicht hinter mein Türchen. Die heilige Dreifaltigkeit steht mir zu – schöne Handwerker gibts doch nicht mal mehr in der Werbung…
      Ach.
      (Aber: ich danke sehr für Euer holden Zuspruch und den Glauben an das … Gute?… )

      • Sehr geehrte Frau Körb,

        ob Sie es nun für möglich oder nicht möglich halten werden. Aber ich wählte einst vor langer Zeit den Beruf des Garten- und Landschaftsbauers. Diesen erlernte ich erfolgreich und führte diesen auch mehr als 12 Jahre erfolgreich aus.
        Was ich ihnen damit sagen möchte, dass ich weder ein Goldkettchen tragender Lederhäute oder ahnungslose Landschaftsgartenbearbeitungsumschüler, der eigentlich aus der Versicherungsbranche kommt bin.
        Ich erlernte einst meinen Beruf weil ich ein Idealist war.

        Leider übe ich diesen Beruf eines Idealisten nicht mehr aus und kann mich deshalb nicht mehr telefonisch bei ihnen für ein Bewerbungsgesprächs für die Stelle eines Hausgärtners bewerben.

        Hochachtungsvoll ihre Prinzessin!

      • …weil Sie jetzt in die Versicherungsbranche umgeschult haben? … … … Aber ich nehme Sie trotzdem gern unter Vertrag, als ideell professionelle Stütze – wo gibt’s denn sowas heute noch, Leidenschaft und Idealismus als Beruf…!

      • Sehr geehrte Frau Körb,

        einst war ich getrieben von Leidenschaft, Hingabe und Liebe. Heute erscheine ich eher als verbittert und traurig. Vermutlich wäre für mich eine Umschulung, wie sie selbst schon schrieben, in die Versicherungsbranche, vom Vorteil gewesen. Doch tief in meinem innersten, meinem Herzen bin ich meiner Vergangenheit treu geblieben. Falls dennoch Interesse an einem Bewerbungsgespräch bestehen sollte, würde ich mich darüber sehr freuen.

        Hochachtungsvoll ihre Prinzessin!

      • Oh Holde mein,
        so Gott und der Generaloberstabsbevollmächtigte der Vergabestelle wollen, ist es mir eine Ehre, Euch im Garten der alten Schachteln begrüßen zu dürfen! Selbstverständlich werden Kuchen, Käffchen und Liköre gereicht und die traurige Verbitterung durch das lebensfrohe Getümel (Fahne am Mast ist in den meisten Anlagen freiwillige Pflicht…) der rasenmähenden, heckenzersägenden, Roger Witthaker pfeifenden Nachbarschaft schlichtweg vertrieben… (Kommentarwechsel)

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