Das Wetter

Nach erfolgloser Kältewelle ist das laue Frühlingswetter zurückgekehrt. Schnee schmilzt, Winter ade. Narzissen und Tulpen recken sich aus der Erde und zeigen all denen grüne Stinkefinger, die noch auf weiße Pracht hoffen. Dafür wintert es im wilden Westen. Arme Tellerwäscher sterben am Schneeschippen, der Präsident rodelt vor seinem Weißen Haus. Was ist los mit unserem Wetter?

Um dieser Frage auf den Grund zu gehen, machte ich mich auf den Weg zu der Wetterstation schlechthin. Durch kaltes Wasser, über Wiesen, vorbei an mittelalterlichen Häusern und einem noch funktionierenden Dorfbackofen erreichte ich endlich das Wetterhaus. Alles sah recht verlassen aus. Ich klingelte und ein automatischer Summer brummte mich mürrisch an. „Hallo?“, rief ich in das Haus hinein. Aus dem hinteren Teil kam eine Antwort.

Ich betrat ein muffiges Zimmer. Dort lag die alte Frau, der gute Geist des Hauses im Bett und drehte sich mühsam zu mir. „Ja?“, nuschelte sie leise ohne ihre großen Zähne. „Frau Holle!“, entgegnet ich, „was ist denn mit Ihnen geschehen?“ „Ach Kindchen, das Alter, ja das Alter.“ Ich war sprachlos. Frau Holle schniefte leise, dann seufzte sie, was in ein Husten überging, an dem sie fast zu ersticken drohte. Ich setzte sie auf und reichte ihr eine Schüssel vom Nachttisch. Sie würgte und spuckte schließlich einen ordentlichen grünen Schleimbatzen aus. „Haaa,“, röchelte sie, „du hast mich den ganzen Morgen schon geärgert!“ Sie strahlte mich an. „Könnten Sie vielleicht?“, fragte sie und deutete auf ihr Kissen. Ich schüttelte es auf und stopfte es ihr in den Rücken. „Und was ist mit den Marien?“, fragte ich. „Ach die Mädchen. Soviel Gold habe ich nicht.“ Sie zog eine Mappe von ihrem Nachtisch herüber. „Da, schauen Sie selbst.“ Ich studierte einen Pflegeplan. Jede Tätigkeit im Hause war aufgelistet und fein säuberlich mit einem Preis versehen. Waschen, legen, Essen bereiten, Körperpflege – „Was?“, entfuhr es mir, „Einmal Lagern kostet 6,90?“ „Plus 8,90 Anfahrt.“, sagte Frau Holle. „Und wissen Sie, was die Mädchen von heute Lagern nennen?“ Ich zuckte mit den Schultern. „Einmal aufs Kissen klopfen fertig aus.“ „Was sind denn das für Mädchen?“ „Ach warten Sie, von oben kommen die, von so einem Dienst, von Dika… nein Dida…-“ „Sie meinen die Diakonie?“ „Ja genau, das klingt ein wenig wie Durchfall, finden Sie nicht?“ Die alte Dame kicherte.

Meine lieben Leser, was soll da aus uns werden, wenn man für jeden Handgriff extra bezahlen muss? Ich habe Frau Holle kurz mobilisiert, mit ihr zusammen ein Süppchen gekocht und während sie auf dem Topf saß, kräftig durchgelüftet und die Betten gemacht. Und jetzt schauen Sie aus Ihren Fenstern! Ein, zwei Flocken werden es sogar bis vor meine Haustür schaffen. Packen Sie also alle ein wenig mit an! Es gibt genügend Frau und Herr Holles unter uns – holen Sie die einfach mal aus den Betten und schütteln sie ordentlich durch, dass die Federn fliegen – schließlich wollen wir alle Schnee.

Bis es soweit ist, versuchen Sie es hiermit:

Mit herzlichen Grüßen
Ihre Frau Körb